5. Juli 2023
Mächtiger Bischof, barmherziger Samariter
Die Ulrichswoche im Bistum Augsburg steht in diesem Jahr unter einem besonderen Vorzeichen: Denn mit der Erhebung des Ulrichsschreins am Montagabend und dem Pontifikalamt zum Ulrichstag am heutigen 1.050. Todestag des Bistumsheiligen eröffnete Bischof Dr. Bertram Meier nicht nur die diesjährige Bistums-Festwoche, sondern auch das Ulrichsjubiläum 2023/24. Ein ganzes Jahr lang soll der heilige Ulrich geehrt und als Vorbild auch für die heutige Zeit neu beleuchtet werden. Im Pontifikalamt zum Ulrichstag hat Bischof Dr. Bertram Meier auf das vielfältige Wirken seines Amtsvorgängers und dessen bleibenden Einfluss auf die europäische Geschichte und Kultur zurückgeblickt.
Der 1050. Todestag des heiligen Ulrichs sei nicht nur dessen „Geburtstag für den Himmel“, sondern ein Grund zum Feiern für das Bistum Augsburg und für ganz Europa, betonte der Bischof eingangs in seiner Predigt. Der Bistumspatron habe durch sein „konsequentes Leben in der Nachfolge Christi“ Maßstäbe gesetzt, die bis heute weit über die Grenzen Bayern hinaus nachwirkten, sei es als Verteidiger Augsburgs in der Lechfeldschlacht oder als Vermittler im Frieden von Tussa (Illertissen), der das sinnlose Blutvergießen zwischen König Otto und dessen Sohn Luidolf beendete.
Doch auch sein Wirken als Bischof sei immer von einem weiten geistigen Horizont geprägt gewesen, so Bischof Bertram: In zahlreichen Reisen durch das Bistum und darüber hinaus baute er sich ein „tragfähiges Netzwerk mit geistlichen und politischen Verantwortungsträgern“ auf und beeinflusste die christliche Kulturlandschaft Süddeutschlands und des Alpenraums über mehr als ein Jahrtausend hindurch bis heute. Diese frühmittelalterlichen Bemühungen Ulrichs um die Völkerverständigung wirkten bis in den Aufbau der Europäischen Union nach den Schrecken des Zweiten Weltkriegs hinein: „Möge sein Engagement auch heute Menschen inspirieren, zu Friedensstiftern und Brückenbauern zu werden, ihre Kraft und Phantasie in den Dienst der Versöhnung zu stellen, die wir Christen vom Evangelium her ableiten. Unsere Zeit braucht Brückenbauer!“
Gleichzeitig zeige jedoch auch die europäische Geschichte, wie sehr dieser christliche Auftrag und das Vermächtnis Ulrichs noch nicht erfüllt und umgesetzt seien: „Kaum eine Religionsgemeinschaft hat so viele kriegerische Auseinandersetzungen unter ihresgleichen zu verzeichnen wie wir Christen! Das ist beschämend und muss uns nachdenklich stimmen“, so Bischof Bertram. Selbst der heilige Ulrich sei von Machtdenken nicht verschont geblieben, etwa als er versuchte, seinen Neffen als Nachfolger auf den Augsburger Bischofsstuhl zu installieren: „Dies mag uns Trost und Ermutigung sein: Wir haben einen Bistumspatron, der – darin ganz Kind seiner Zeit – als alter Mann zwar der Versuchung erlag, die Freiheit des kirchlichen Amtes der Hausmacht seines Familienclans zu unterwerfen, der jedoch seinen Fehler einsah und bereute.“
Der Jünger Jesu werde nicht so sehr im Wort, sondern im Tun und Dienen sichtbar – ein Amts- und Glaubensverständnis, das auch Ulrich sein Leben lang bezeugt habe: „Ulrich entdeckte in den Armen das Gesicht Jesu Christi selbst. Er dachte, um es modern zu sagen, die Liebe strukturell, denn er meinte damit Gerechtigkeit.“ Damals wie heute dürften ungerechte gesellschaftliche Verhältnisse nicht ignoriert, sondern müssten hinterfragt und zum Besseren gewendet werden. Dabei bezog sich der Bischof auch auf die höchst aktuelle Frage des assistierten Suizids: „Welches Klima herrscht im Blick auf das menschliche Leben vom Anfang bis zum Ende, zwischen Zeugung und natürlichem Tod? Wem ist aufgefallen, dass unter der Hand – wenig beachtet von den Medien – die gesetzlichen Regelungen um den assistierten Suizid im Bundestag aufgeweicht werden sollen?“
Angesichts der Gefahr, dass der Mensch sich selbst zum Schöpfer aufschwingen wolle, bräuchte es umso mehr die Stimme der Kirchen und damit eine „Ökumene des Zeugnisses“, immer dem Vorbild des heiligen Ulrich folgend: „Gerade den Armen und Kleinen, den Schwachen und Kranken hat er sein Herz gezeigt. Für mich war der hl. Ulrich ein barmherziger Samariter in seiner Zeit. Schauen wir von ihm ab, was es heißt: Deus caritas est. Gott ist die Liebe.“
Zu Beginn des Gottesdienstes hatte Generalvikar Msgr. Dr. Wolfgang Hacker noch ein Grußwort des Apostolischen Nuntius Dr. Nikola Eterović verlesen, der aufgrund anderer Termine nicht selbst beim Hochamt präsent sein konnte. In dem Grußwort übermittelte der Nuntius die herzlichen Grüße und guten Wünsche des Papstes an die Kirche von Augsburg. Papst Franziskus sei es dabei wichtig, „dass das hörende Herz des Christen dazu hilft, überzeugend Jesus Christus und eifrig Sein Evangelium in die Welt zu tragen“. Das Ulrichsjubiläum solle dabei helfen, eine Kirche zu erschaffen, „die es versteht, sich vom Heiligen Geist leiten zu lassen, freundlich und zugleich prophetisch; die es versteht, neue Formen und Wege für die wunderbare Botschaft zu finden, die in das dritte Jahrtausend weiterzutragen sie berufen ist“.
Bischof Bertram feierte das Hochfest des hl. Ulrich in der Augsburger Ulrichsbasilika gemeinsam mit zahlreichen Gästen aus der Weltkirche; so waren neben dem emeritierten Kurienkardinal Walter Kasper auch Bischöfe aus Ungarn und Slowenien, der Exarch der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche für Deutschland Bohdan Dzyurakh, zahlreiche Äbte und Äbtissinnen sowie die früheren Bischöfe von Augsburg Dr. Konrad Zdarsa und Dr. Walter Mixa zugegen. Ersterer war genau an diesem Tag vor vier Jahren von Papst Franziskus vom Dienst als Augsburger Oberhirte entpflichtet worden. Aus dem Schweizer Ort Leuk waren päpstliche Zuaven angereist – die Walliser sind aus demselben Kanton wie die Abtei Saint-Maurice. Dieses älteste noch bestehende Kloster Europas war auch eine Reisestation Bischof Ulrichs, der den hl. Moritz selbst sehr verehrte. Aus Uganda kam schließlich extra ein Chor, der die im Anschluss an den Gottesdienst begangene „Ulrichsminne“ musikalisch begleitete. Dabei wurden Brot und Wein gereicht, die der Bischof zuvor noch während der Messe gesegnet hatte. Der Festgottesdienst, den die Augsburger Domsingknaben sowie das Bläserensemble „Les Cornets noirs“ unter der Leitung von Domkapellmeister Stefan Steinemann musikalisch gestalteten, wurde live auf K-TV sowie radio horeb übertragen.
Die Predigt im Wortlaut können Sie hier nachlesen:
2023-07-04_Bischof B. Meier_Ulrich 2023. Jubiläum Eröffnung Pontifikalamt (pdf, ca. 380 KB)
pba