11. März 2024

Historikertagung zum Ulrichsjubiläum

Augsburg als heiliger Raum

Viele der im 10. und 11. Jahrhundert errichteten Sakralbauten in der Stadt Augsburg sind mittlerweile nicht mehr vorhanden oder überbaut. Anlässlich des Ulrichjubiläums wurde nun vor allem die Domumgebung liturgisch sowie baugeschichtlich auf einer dreitägigen Historikertagung im Haus Sankt Ulrich vorgestellt. Moderne Rekonstruktionen unterstützten den Blick 1000 Jahre zurück in die Vergangenheit.

Die Ursprünge christlichen Lebens in der Region liegen bereits in der Spätantike. Im Frühmittelalter entstanden erste Kirchbauten aus Stein. Auch der heilige Ulrich hatte sich im 10. Jahrhundert als Baumeister betätigt.

Bischof Bertram zeigte sich in seinem von Domkapitular Dr. Thomas Groll verlesenen Grußwort begeistert, dass auch die wissenschaftliche Perspektive das Ulrichsjubiläum bereichere. Gleichzeitig erinnerte er daran, dass auch schon der heilige Ulrich auf eine reiche Tradition habe aufbauen können. Von der Tagung selbst wünschte er sich, dass sie einen entscheidenden Impuls zur Neuerschließung der Bedeutung des Domplatzes gebe. Auch Oberbürgermeisterin Eva Weber ließ durch ihren Kulturreferenten Jürgen Enninger eine Grußbotschaft verlesen. Darin betonte sie die zentrale Rolle des Domplatzes über die Jahrhunderte hinweg und ging auf die Rolle des hl. Ulrich als Stadtoberhaupt ein. Ebenso brachte sie ihre Freude darüber zum Ausdruck, dass Stadt und Bistum das Ulrichsjubiläum gemeinsam begehen könnten.

Der Himmel auf Erden – Augsburg vor 1000 Jahren

Um die Jahrtausendwende herum erlebte das christlichen Abendland einen regelrechten Bauboom. Auch in Augsburg setzte im 10. Jahrhundert, also während der Regierungszeit Bischof Ulrichs, eine verstärkte Bautätigkeit ein. Professor Bernd Schneidmüller stellte deshalb im Rahmen seines Eröffnungsvortrages die Entfaltung der Augsburger Kirchenlandschaft in einen größeren Kontext und ordnete diese in die Epoche des ottonischen Jahrhunderts ein. So seien Bischofsstädte in dieser Zeit oft sehr ähnlich aufgebaut. Er erinnerte auch daran, dass der Bauboom im Gegensatz zu der bitteren Not der Bevölkerung gestanden habe.

Tags darauf ging der Kunsthistoriker Prof. Werner Jacobsen konkreter auf den Dom ein. Der heilige Ulrich habe selbst den zuvor zerstörten Dom ab 930 neu errichten lassen. 994 sei dieser eingestürzt und unter seinem dritten Nachfolger Bischof Liutold durch den noch heute existierenden Bau ersetzt worden. Die teils wenig planmäßig vollzogenen Ausgrabungen innerhalb des Gebäudes erschweren eine Rekonstruktion der einzelnen Gebäude. Trotzdem konnte Jacobsen aufzeigen, dass der karolingische Bau seinen Hauptaltar wie heute im Osten hatte. Erst 1065 verlegte man diesen bis zum Anbau des großen Ostchors in den Westen. Noch heute lassen sich die verschiedenen Umbaumaßnahmen am Gebäude, das dem Mainzer Dom ähnlich ist, erkennen.

Die Ulrichsvita als Schlüsseldokument für die Liturgiegeschichte

Die Ulrichsvita selbst thematisiert die damals gefeierte Liturgie an verschiedenen Stellen. Prof. Harald Buchinger aus Regensburg betonte, dass Ulrich wohl ein vorbildlicher Liturge gewesen sein müsse. Gleichzeitig ließe sich anhand der Schilderungen erkennen, dass er stets auch verschiedene Orte und Kirchen für Feiern genutzt habe, so der Liturgiewissenschaftler. Innovativ vollzog der Bischof Riten, die römische und fränkisch-germanische Elemente vereinte.

Ulrichs Lebensbeschreibung sei in dieser Hinsicht ein „Schlüsseldokument“ und beinhalte auch den ersten schriftlichen Nachweis über einen am Palmsonntag genutztes Abbild des auf einem Esel reitenden Jesus. Generell ließe die Vita den Schluss zu, dass es zu jener Zeit zu einer Vervielfachung der Gebets- und Messzeiten gekommen sei.

Das Gestern ins Heute holen

Aber auch der Domplatz unterlag immer wieder starken Veränderungen. Der Augsburger Landeshistoriker Rainald Becker bezeichnete diese sogar als eine „Geschichte der Verfinsterung“. Der größte Einschnitt erfolgte nach 1800, als der Domfriedhof sowie alle dort stehenden Sakralgebäude abgerissen wurden. Übrig blieb nur der Dom selbst. Anhand verschiedenster Zeichnungen und Fotos wies Becker auch die Veränderungen am dahinterliegenden Fronhof nach. Aus dem ursprünglichen Repräsentationsplatz, auf dem 1784 sogar eine unbemannte Ballonfahrt gestartet war, wurde nach 1800 ein Exerzierplatz und schließlich eine Parkanlage. Diese „architektonische Wunde“ müsse behoben werden, so der Historiker.

Mittels moderner Technik und mithilfe von Archivunterlagen lassen sich die 1806 abgerissenen mittelalterlichen Bauten mittlerweile wieder zum Leben erwecken. Privatdozent Dr. Christian Kayser beeindruckte die Teilnehmenden mit einer digitalen Rekonstruktion der Johanneskirche, die einst Sitz der Dompfarrei und verschiedener Bruderschaften sowie Grablege einiger Weihbischöfe gewesen war. Trotz der problematischen Forschungsgeschichte sei klar, dass auch die Johanneskirche immer wieder Veränderungen unterworfen war. Schon die Reformation habe zu einem Bedeutungsverlust geführt. Bis zu ihrem Abriss diente die stattliche Kirche der Pfarrgemeinde nur noch für Taufen und Beerdigungen. Die heute sichtbare Ruinenstätte, die auf eher grobe Ausgrabungen aus den Jahren 1930 und 1997 zurückgeht, bezeichnete er als „bewusste Inszenierung“.

Weitere Programmpunkte

Am Mittwochabend konnten die Teilnehmer dann auch akustisch in die Zeitepoche Bischof Ulrichs eintauchen. Das Ensemble PER-SONAT führte in der benachbarten Ulrichsbasilika das sogenannte Ulrichsoffizium des Udalschalk (12. Jhd.) auf. Zum Abschluss der Tagung leitete PD Dr. Christian Kayser eine Begehung über den Domplatz, bei dem auch archäologische Funde eine Rolle spielten.

Ausgerichtet wurde die Tagung vom Verein für Augsburger Bistumsgeschichte, dem Bischöflichen St.-Ulrich-Komitee und dem Lehrstuhl für Mittelalterliche Geschichte der Uni Augsburg.

Zu den Personen

Prof. Dr. Bernd Schneidmüller ist seit 2020 Seniorprofessor für Mittelalterliche Geschichte an der Universität Heidelberg, leitete zuvor die Lehrstühle in Oldenburg, Braunschweig, Bamberg und Heidelberg. Seine Forschungsschwerpunkte liegen im Bereich der Kirchen- und Ritualgeschichte. Darüber hinaus beschäftigt er sich viel mit dem Kaisertum im Heiligen Römischen Reich.

Prof. Dr. Werner Jacobsen hatte seit 1996 die Professur für Kunstgeschichte an der Universität Münster inne. Insbesondere die Architektur des Mittelalters steht im Zentrum seiner Forschungs- und Lehrtätigkeit. Die Verbindung von Kunst und Liturgie stellt einen weiteren Schwerpunkt dar.

Prof. Dr. Harald Buchinger ist seit 2008 Professor für Liturgiewissenschaft an der Uni Regensburg. Als solcher beschäftigt er sich auch mit der mittelalterlichen Gottesdienstfeier in Städten sowie mit der Liturgie am Übergang von Spätantike zum Frühmittelalter.

Prof. Dr. Rainald Becker hat an der Universität Augsburg seit 2023 die Professur für Europäische Regionalgeschichte sowie Bayerische und Schwäbische Landesgeschichte inne. Er widmet sich vor allem geistlichen Würdeträgern und Orden im Mittelalter.

Privatdozent Doktoringenieur Christian Kayser beschäftigt sich intensiv mit historischer Bautechnik, arbeitet als Ingenieur und Architekt. 2023 wurde er an der TU München habilitiert. Lehraufträge übernahm er bislang an der TU München und der LMU München.

pba

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Noch heute ließen sich im Dom Spuren der Um- und Anbauten entdecken, betonte Prof. Jacobsen. (Foto: Leander Stork / pba)