23. April 2024

Europatagung in Ottobeuren: Für einen christlich geprägten Kontinent

Ein stabiles und starkes Europa der Zukunft muss ein Kontinent sein, der sich seiner christlichen Vergangenheit bewusst ist und auf diesem Fundament aufbaut – diese Botschaft stand im Mittelpunkt eines europapolitischen Manifestes, dass Bischof Bertram am Ende einer Europatagung im Kloster Ottobeuren gemeinsam mit dessen Abt Johannes Schaber OSB und mit Markus Ferber, dem Vorsitzenden der Hanns-Seidel-Stiftung, unterzeichnet hat.

Organisiert hatten die Tagung, die im Rahmen des Ulrichsjubiläums 2023/24 stattfand und unter dem Motto „Das Haus Europa gemeinsam weiterbauen“ stand, die Hanns-Seidel-Stiftung und das Bistum Augsburg gemeinsam. „Wenn wir das Haus Europa weiterbauen wollen, dann müssen wir die Fundamente prüfen“, sagte Markus Ferber in seiner Begrüßung. Dass diese Fundamente aus den Werten des Christentums gegossen sind, darüber waren sich in Ottobeuren alle einig. Bischof Bertram lenkte den Blick der zahlreich erschienenen Tagungsteilnehmer auf den Bistumspatron Ulrich: „Er hat nicht nur durch sein Handeln als Bischof und Reichsfürst im Kontext der bekannten siegreichen Lechfeldschlacht 955 die europäische Geschichte mitbeeinflusst und das Christentum verteidigt, sondern in deren Vorfeld vor allem durch seine Friedensvermittlung zwischen König Otto und seinem Sohn im Frieden von Tussa (Illertissen) im Jahre 954 gezeigt, dass nur der Zusammenhalt stark macht und die Chance auf eine gute Zukunft eröffnet.“

Den Festvortrag auf der Europatagung in Ottobeuren hielt der langjährige Präsident des Europäischen Parlaments, Hans-Gert Pöttering. Er spannte einen weiten Bogen der Europäischen Geschichte mit dem Fazit: „Die Europäische Union gründet sich auf die Würde des Menschen, auf Freiheit und Frieden, Demokratie sowie die Herrschaft des Rechts. Das Recht hat die Macht, und nicht die Macht diktiert das Recht. So sichert das Recht den Frieden…Dabei sollten wir uns immer unserer politischen Identität bewusst sein: Heimat, Vaterland, Europa, Verantwortung für die Welt gehören zusammen. Wer nur seine Heimat sieht, wird sie nicht schützen. Wer das eigene Land über alle anderen Länder stellt, wird zum Nationalisten, und Nationalismus führt zum Krieg. Wer nur als Europäer empfindet, hat keine Wurzeln. Möge uns diese Balance – ganz benediktinisch – immer gelingen, und bleiben wir dafür engagiert. Dann haben wir auch als Christen Anlass zu Hoffnung und Zuversicht.“

In einer Diskussionsrunde nach der heutigen Bedeutung der christlichen Werte gefragt, die Europa begründet haben, sagte Bischof Bertram: „Für mich ist ein wesentlicher Wert die Freiheit. Wie weit reicht meine eigene Freiheit? Wo fängt die Freiheit des anderen an? Wir sehen das gerade in vielen Diskussionen über die kirchliche Erneuerung in Deutschland. Wir haben eine große Dialogfreiheit, aber wo sind auch die Rahmenbedingungen? Diese Erneuerung der Kirche ist eine Herausforderung für einen Bischof, weil er sich in seiner Freiheit immer zwischen Extremen bewegt.“

Der Philosophieprofessor Holger Zaborowski aus Erfurt gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass christliche Werte auch in einem künftigen Europa bewahrt werden könnten, denn: „Das Interessante ist, das wir im Christentum eine Haltung haben, die anknüpft an die Antike. Gerechtigkeit, Tapferkeit, Weisheit, Maßhalten, um diese Werte zu verstehen, muss ich kein Christ sein.“

Genau diese Werte hob Bischof Bertram im Pontifikalamt am Sonntag in Erinnerung an den Heiligen Ulrich noch einmal hervor. Dieser sei europäisch, sozial und mutig gewesen: „Mut hieß für ihn auch, ‚Nein‘ zu sagen zu bestimmten Dingen, keine Lügen zu verbreiten und nicht der Gier nach Geld oder dem Streben nach Macht zu verfallen. Hier sehe ich einen Bezug zu unserer heutigen Situation: Denn auch wir sind täglich herausgefordert, Entscheidungen zu treffen, die über unser eigenes Schicksal und das anderer bestimmen. Aus aktuellem Anlass nenne ich die Stichworte Populismus, Extremismus und Nationalismus. Erst vor wenigen Wochen waren die deutschen Bischöfe bei der Frühjahrskonferenz in Augsburg versammelt und gaben einstimmig (!) eine öffentliche Erklärung ab, wonach alle Christen dazu aufgerufen werden, sich für den Erhalt unserer freiheitlichen und demokratischen Grundordnung sowie die Einhaltung der Menschenrechte zu engagieren. Dies ist umso dringender geboten, da eine spürbare Gefahr besteht, dass die Vielzahl von Krisen, die Deutschland und Europa derzeit erleben, zum Nährboden für die Erosion des zivilen demokratischen Bewusstseins und für das Anschwellen extremistischer Positionen werden.“

Hier, so der Bischof, könne das christliche Menschenbild und der Begriff des Gemeinwohls, der für die Kirche stets einen universalen Horizont habe, hilfreich sein: „Das bedeutet konkret den Schutz von politisch oder religiös Verfolgten und Kriegsflüchtlingen und ebenso ein Eintreten für multilaterale Zusammenarbeit und Solidarität – auf Ebene der Europäischen Union ebenso wie weltweit. Etwas niederschwelliger angesetzt kann das für den Einzelnen auch heißen, im Alltag Mut zu zeigen und beispielsweise am Stammtisch oder im Freundeskreis klar Stellung zu beziehen gegen jede Form von völkischem Nationalismus oder Fremdenfeindlichkeit.“

Zum Abschluss der Tagung unterzeichneten Bischof Bertram, Abt Johannes und Markus Ferber das „Europamanifest von Ottobeuren“, das sich in zehn Punkten unter anderem für einen friedlichen, sozialen und auf christlichen Werten gründenden Kontinent ausspricht.

Text: pba
Fotos: pba/Annette Zoepf

Impuls von Bischof Bertram zur Europatagung (ca. 60 KB)

Predigt von Bischof Bertram anlässlich der Europatagung (ca. 77 KB)

Festrede von Hans-Gert Pöttering (ca. 143 KB)

Europamanifest (ca. 560 KB)

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Bischof Dr. Bertram Meier, Markus Ferber (Vorsitzender Hanns-Seidel-Stiftung) und Abt Johannes Schaber OSB unterzeichneten am Ende der Tagung ein "Europa-Manifest" (Fotos: pba/Annette Zoepf).