8. Juli 2024

„Tag der geschwisterlichen Seelsorge“ in Augsburg

Wie kann eine Kirche der Zukunft aussehen, wenn sie sich auch in Deutschland immer mehr in Richtung einer Minderheitsreligion hinbewegt und in absehbarer Zeit ihre kultur- und diskursprägende Stellung verlieren wird? Diese Frage stand beim ersten „Tag der geschwisterlichen Seelsorge“ des Bistums im Mittelgrund, der im Rahmen der Ulrichswoche unter zahlreicher Teilnahme haupt- und ehrenamtlich wirkender Seelsorgerinnen und Seelsorger am Montag in Augsburg begangen wurde.

Um mögliche Antworten auf diese große Frage zu geben, hatte das Bistum dazu die Generalsekretärin der Nordischen Bischofskonferenz Sr. Anna Mirijam Kaschner CPS eingeladen. Die Deutsche, die seit 2009 ihr Amt innehat und als weltweit erste Frau in dieser Position gilt, referierte in einem Impulsvortrag über die Herausforderungen und auch Chancen, die sich aus der Diasporaposition ergeben könnten. Dabei spricht sie aus Erfahrung, sind Katholiken in Nordeuropa doch gleich in doppelter Hinsicht eine Minderheit: Einmal vor dem Hintergrund einer ganz überwiegend durch die lutherischen Staatskirchen geprägten Mehrheitsbevölkerung und zum anderen als religiöser Teil einer zunehmend areligiös geprägten Gesellschaft.

Dennoch: Die Diaspora der nordeuropäischen Katholiken tue ihrer Glaubensfreude keinen Abbruch, im Gegenteil: „Überfüllte Kirchen sind hier der Normalzustand“, so die Ordensschwester. Alleine in Oslo würden jeden Sonntag im Stundentakt Gottesdienste gefeiert, um dem Besucherandrang gerecht zu werden – und das in ganz unterschiedlichen Sprachen, schließlich handele es sich bei der überwiegenden Mehrzahl der katholischen Christen hier um Menschen mit Migrationshintergrund und aus aller Welt: „Bei uns ist jeden Sonntag Pfingsten.“ Freilich stünden dem auch große Herausforderungen gegenüber, etwa die zum Teil enorme Entfernung zwischen katholischen Familien und der nächsten Kirche, die geringe finanzielle Ausstattung der Diözesen und das Unverständnis vieler Menschen gegenüber dem Katholizismus. Dennoch zeige sich, dass auch eine kleine Kirche lebendig sein und bleiben könne, betonte die Ordensschwester abschließend und zitierte einen belgischen Kardinal: „Ein kirchlicher Schmollwinkel hilft niemandem.“

Bereits im Festgottesdienst zuvor hatte Bischof Bertram in seiner Predigt betont, dass mit dem neugeschaffenen „Tag der geschwisterlichen Seelsorge“, der heuer zum ersten Mal in der Ulrichswoche stattfand, „Geweihte und Nicht-Geweihte, Hauptberufliche und Ehrenamtliche“ in den Blick genommen werden sollten: Ein „Tag der Begegnung und des Austausches, der Selbstvergewisserung und der Horizonterweiterung“. Dabei sei allen in der Seelsorge Tätigen gemein, dass sie die Einheit mit Christus suchten und das Geschenk des Glaubens an Andere weitergäben: „So, wie die innere Einstellung eines Menschen in seinen Worten und Handlungen zum Tragen kommt und sichtbar wird, so lässt sich und ließ sich zu allen Zeiten auch die Zugehörigkeit zu Christus für jeden anderen Menschen an dieser Grundhaltung ablesen.“

Um dieses Ziel zu erreichen, sei es von größter Bedeutung, bei aller Lebendigkeit und Diversität auch nach innen hin die Einheit zu suchen, den Bruder oder die Schwester zu unterstützen, aufmerksam zuzuhören und „die Meinung des anderen zu retten“, wie der heilige Ignatius von Loyola es formulierte. Dabei und im Umgang mit einer zunehmen areligiös werdenden Gesellschaft könne die Kirche von Augsburg einerseits viel von den Glaubensgeschwistern in der Diaspora lernen und habe andererseits die Gelegenheit, zurück zum Ursprung des eigenen Auftrages zu gehen: „Wir wollen uns, wie es heute heißt, ehrlich machen, wollen gemeinsam sichten, was an kirchlichen Ausdrucksformen unaufgebbar und not-wendend ist oder ob sich etwas überlebt hat. Es geht darum, Glaube, Hoffnung und Liebe, den drei zentralen Tugenden, in unseren christlichen Lebensvollzügen wieder den Raum zu geben, der ihnen gebührt.“

Nach dem Festgottesdienst und dem Impulsvortrag gab es für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer noch die Möglichkeit, in einem „World Café“-Workshop verschiedene Fragestellungen zu bearbeiten – etwa danach, welche pastoralen Experimente die Kirche von Augsburg wagen könne oder solle, welche digitalen Ansätze der Seelsorge dienen könnten und wie Kirche auch weiterhin nah beim Menschen bleiben könne. Eine gemeinsame Abschlussveranstaltung markierte das Ende des gemeinsam verbrachten Seelsorgetags.

Sr. Anna Mirijam Kaschner CPS wurde 1970 im westfälischen Werl geboren und konvertierte als 20-Jährige zur katholischen Kirche. Nach einem Studium der Religionspädagogik in Paderborn trat sie 1997 in die Ordensgemeinschaft der Missionsschwestern vom Kostbaren Blut ein. 2005 zog sie im Rahmen ihrer Missionsarbeit nach Dänemark. Seit 2009 ist sie Generalsekretärin und Pressesprecherin der Nordischen Bischofskonferenz. Die Konferenz deckt sieben Bistümer bzw. Territorialprälaturen in fünf Ländern ab, die allesamt traditionell stark evangelisch-lutherisch geprägt sind. Zur Bischofskonferenz gehört unter anderem auch die flächenmäßig größte Pfarrei der Welt in Nuuk, die sich über ganz Grönland erstreckt und dennoch nur etwa 300 Katholiken zählt.

Der Tag der geschwisterlichen Seelsorge geht aus dem Tag der Priester und Diakone hervor und soll wie sein Vorgänger auch jährlich im Rahmen der Ulrichswoche stattfinden. Im Rahmen des Tages sollen alle in der Seelsorge tätigen Männer und Frauen die Gelegenheit haben, sich auszutauschen und gemeinsam neue Impulse für die pastorale Arbeit zu erhalten.

Predigt von Bischof Bertram zum Tag der geschwisterlichen Seelsorge

Text: pba
Fotos: Julian Schmidt / pba

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Miteinander im Dienst des Herrn: Tag der geschwisterlichen Seelsorge in Augsburg